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teamkonflikteJuni 11, 20230

Dysfunktionale Teams und das Soziogramm als wichtiges Werkzeug in der Mediation

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Teams in dysfunktionale Zustände geraten können. Die Gründe dafür sind vielfältig. Im Zustand der Dysfunktionalität werden oft in der Psychologie des Menschen tief verwurzelte Coping-Mechanismen aktiviert, um die Situation augenscheinlich zu lösen. In diesem Blog stelle ich dar, wie man dysfunktionale Teams und deren Reaktionsmechanismen erkennt und wie das Soziogramm als ein wirksames Werkzeug in der Mediation eingesetzt wird, um diese Situation zu lösen.

Dysfunktionalität von Teams

Dysfunktionalität in Teams kann verschiedene Ursachen haben. Diese reichen von Kommunikationsproblemen über fehlende Rollen- und Aufgabenklarheit bis hin zu unterschiedlichen Wertvorstellungen und Zielen. Es ist normal, dass sich Teamdiskussionen nicht immer nur um die eigentlichen Arbeitsaufgaben drehen. In der Regel sind diese „abweichenden“ Themen nur von temporärer Dauer. Das Problem beginnt dann, wenn ein Team mehr Zeit in einer Vermeidungshaltung verbringt, als sich mit der eigentlichen Arbeit zu beschäftigen. Und wirklich schwierig wird die Situation dann, wenn es in dieser Dynamik verharrt.

Ein Team, das unter Druck gerät, agiert dann oft wie ein Rudel, dessen größte Sorge das eigene Überleben ist. Arbeitsteams sind da keine Ausnahme. In Zeiten erhöhten Stresses kann die Besänftigung dieser Sorgen alles andere überlagern. Wenn die kollektive Angst unerträglich wird, muss das Team etwas unternehmen, um ihr entgegenzuwirken. Doch anstatt die Situation rational anzugehen, kommen uralte Coping-Mechanismen zum Vorschein. Das Teams weist dann z.B. einem oder mehreren Kolleg:innen neue Rollen zu.

Reaktionsmechanismen dysfunktionale Teams

Um in dysfunktionalen Teams erfolgreich zu intervenieren, ist es wichtig, nicht nur die Struktur des Teams zu analysieren, sondern auch die individuellen Reaktionsmechanismen der Teammitglieder zu verstehen.

Wilfried Bion war einer der ersten Wissenschaftler, der sogenannte Coping-Mechanismen identifizierte, die einerseits Ängste in Teams reduzieren, aber andererseits dazu führen, dass die eigentliche „Mission“ des Teams sabotiert wird.

Zu diesen Mechanismen gehören u.a.:

  1. Fight (Kampf): Einige Teammitglieder neigen dazu, in Konfliktsituationen aggressiv zu reagieren. Sie kämpfen aktiv gegen andere Mitglieder oder gegen das Team als Ganzes an.
  2. Flight (Flucht und Vermeidung): Andere Teammitglieder wählen den Weg der Flucht oder Vermeidung. Sie ziehen sich emotional zurück, nehmen eine passive Rolle ein und versuchen, Konflikten aus dem Weg zu gehen.
  3. Scapegoating (Sündenbock): In manchen Teams neigen einzelne Mitglieder dazu, andere Teammitglieder als Sündenböcke für Probleme oder Konflikte im Team zu benennen. Sie projizieren die Verantwortung auf einen Einzelnen und machen diesen für die dysfunktionalen Zustände verantwortlich.
  4. Sole saviour (Erlöser): Wenn ein Team Angst vor der Zukunft hat oder auf der Suche nach Orientierung oder Schutz ist, kann es seine Autonomie an einen „Retter“ abgeben und damit unbewusst Abhängigkeitsbeziehungen erzeugen.
  5. Dynamic duo (Dynamisches Duo): Eine ähnliche Form der Abhängigkeit entsteht, wenn zwei Personen als „Retter“ eingesetzt werden. Hier besteht vor allem die Gefahr, dass die beiden sich von ihrer Macht hinreißen lassen und zunehmend den Bezug zur Realität verlieren.
  6. Micromanagement (Überkontrolle): Einige Teammitglieder übernehmen die Kontrolle über Aufgaben und Prozesse im Team, indem sie jeden Schritt und jede Entscheidung anderer Mitglieder überwachen. Diese Überkontrolle kann das Vertrauen und die Autonomie der anderen Teammitglieder beeinträchtigen und zu Frustration führen.

Sobald das Team eine oder mehrere Rollen zugewiesen hat und diese scheinbar akzeptiert wurden, fühlt sich das Team erleichtert. Dieses Verhalten kann dem Team kurzfristig helfen, voranzukommen. Aber langfristig wird durch dieses Verhalten die Gruppendynamik zerstört und es übt enormen Druck auf die Person aus, die ausgewählt wurde, um die Ängste der Gruppe aufzufangen oder anderweitig zu bewältigen.

Diese Reaktionsmechanismen können dazu führen, dass die Dysfunktionalität im Team verstärkt wird. Es entsteht ein Teufelskreis, in dem sich Konflikte und Probleme weiter verschärfen, ohne dass eine konstruktive Lösung gefunden wird. Deshalb ist es wichtig, diese Reaktionsmuster zu erkennen und in der Mediation gezielt anzugehen. Wichtig ist dabei anzumerken, dass diese Reaktionsmechanismen nicht ausschließlich bei dysfunktionalen Teams auftreten, sondern auch in normalen Arbeitsumgebungen vorhanden sein können. Die Erkennung und Bewältigung dieser Mechanismen ist jedoch entscheidend, um den Weg zu einer konstruktiven Teamarbeit und effektiven Mediation zu ebnen.

Erkennen dysfunktionaler Teams

Die Identifizierung dysfunktionaler Teams ist daher von entscheidender Bedeutung, um Lösungsansätze zu entwickeln. Hier sind einige Anzeichen, die auf ein dysfunktionales Team hinweisen können:

  • Häufige Konflikte und Spannungen innerhalb des Teams, die nicht effektiv gelöst werden
  • Mangelnde Kommunikation und fehlende Zusammenarbeit zwischen den Teammitgliedern
  • Unklare Rollen und Verantwortlichkeiten innerhalb des Teams
  • Geringe Motivation und Engagement der Teammitglieder
  • Hohe Fluktuation von Teammitgliedern oder häufige Abwesenheit bei Teammeetings

Darüber hinaus können Sie anhand bestimmter Fragen bzw. deren Antworten erkennen, ob Ihr Team in einem destruktiven Verhaltensmuster gefangen ist.

  • Wer spricht normalerweise und worüber?
  • Auf wen schauen die Redner:innen?
  • Wer unterbricht oder fordert wen heraus?
  • Wie geht das Team an große Probleme heran?

Je nach Beantwortung der Fragen, können Sie erkennen, ob und in welchen Reaktionsmechanismen, also z.B. Fight- oder Flight-Mechanismus sich das Team befindet.

 

Das Soziogramm in der Mediation

Das Soziogramm wird eingesetzt, um das Verständnis für die sozialen Dynamiken und Beziehungen innerhalb einer Gruppe oder Teams zu vertiefen. Es bietet eine wirksame Methode, um Beziehungen innerhalb eines Teams zu visualisieren und individuelle Verhaltensmuster und Reaktionsmechanismen zu erkennen. Somit ermöglicht es den Teammitgliedern, ihre Rolle in der Teamdynamik zu reflektieren und alternative Verhaltensweisen zu entwickeln.

 

Beispiel für ein Soziogramm

 

 

 Jedes Teammitglied ist durch einen Kreis gekennzeichnet und mit einem Buchstaben versehen. Die Größe des Kreises entspricht seinem Einfluss auf das Team.

Der Abstand zwischen den Kreisen drückt die Distanz oder Nähe zwischen den Mitgliedern aus.

Die Stärke der Linien zwischen den Kreisen indiziert die Interaktion zwischen diesen, während die gestrichelte Linie sporadischen Kontakt widerspiegelt.

Die Pfeile zeigen die Richtung an, in der die Kommunikation fließt.

 

 

 

In diesem Beispiel ist die Person F aus dem Team ausgeschlossen und hat nur sporadischen Kontakt. Person C hat den größten Einfluss auf das Team, aber sie hat weder Kontakt zu Person A noch F. …

In der Mediation wird das Soziogramm verwendet, um den Teammitgliedern die Möglichkeit zu bieten, Missverständnisse aufzudecken. Es bietet daher eine gemeinsame Grundlage für die Diskussion und Lösung von Konflikten. Durch das Teilen und Analysieren des Soziogramms können Teammitglieder ihre individuelle Situation erkennen und verstehen, wie diese die gesamte Teamdynamik beeinflusst.

 

Zusammenfassung

Teams können aus verschiedenen Gründen in dysfunktionale Zustände geraten, die die Produktivität und Effektivität einer Organisation erheblich beeinträchtigen. Um diese Zustände und Ursachen der Dysfunktionalität zu identifizieren und Lösungsansätze zu entwickeln wird das Soziogramm als ein kraftvolles Werkzeug in der Mediation eingesetzt. Es ermöglicht eine visuelle Darstellung der sozialen Struktur eines Teams und hilft, Beziehungen, Konflikte und Kommunikationswege sichtbar zu machen. Dabei dient es als Ausgangspunkt für weiterführende Gespräche, Reflexionen und gemeinsame Entscheidungen. Die Mediation unterstützt die Teammitglieder, offen über ihre Bedenken, Wünsche und Erwartungen zu sprechen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.

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