Wir leben in einer Welt, die geprägt ist von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität, auch VUCA genannt. Globale Krisen überlagern sich:
- Geopolitische Spannungen und Umbrüche
- wirtschaftliche Instabilität durch Krieg, Inflation und Politik
- der rasante Fortschritt der KI sowie
- tiefgreifende gesellschaftliche Umbrüche
verunsichern Menschen und Unternehmen. Führungskräfte müssen mit diesen Ungewissheiten täglich aufs Neue umgehen. Sie müssen oft Entscheidungen treffen, ohne alle Fakten zu kennen, und ihrem Team trotzdem Zuversicht vermitteln. Unsichere Zeiten sind nicht nur wirtschaftlich, sondern auch psychologisch eine enorme Herausforderung. Idealerweise sollten Manager gerade in Umbruchphasen als stabiler Anker Orientierung und Sicherheit geben. Doch wie gelingt das in der Praxis, ohne die eigenen Nerven und die Teamdynamik zu gefährden?
Im Folgenden erläutere ich, wie Sie ergebnisorientiert und gleichzeitig empathisch mit Ungewissheit umgehen können.
Unsicherheit verstehen – warum Ungewissheit so belastend ist
Ungewissheit gehört zum Führungsalltag, doch selten fühlt es sich gut an. Aus psychologischer Sicht liegt das an unserem Grundbedürfnis nach Klarheit und Sicherheit: Unerwartete Veränderungen und mangelnde Vorhersehbarkeit lösen bei vielen Menschen Stress aus. Unser Gehirn sucht nach Orientierung, doch in unsicheren Lagen wird dieses Bedürfnis nicht erfüllt – das steigert die innere Anspannung.
Menschen streben dann oft nach schnellen Lösungen und eindeutigen Antworten; dieses Phänomen wird als Need for Cognitive Closure bezeichnet. In der Praxis führt das dazu, dass wir Unsicherheit als Bedrohung empfinden und schnelle (mitunter vorschnelle) Entscheidungen bevorzugen, nur um das unangenehme Gefühl loszuwerden.
Zudem ist Ungewissheit meist fremdbestimmt: Kaum jemand wählt freiwillig eine Situation, in der der Ausgang unklar ist. Typische Reaktionen von Führungskräften auf anhaltende Unsicherheit sind daher Druck und Zweifel – man fürchtet, falsche Entscheidungen zu treffen, oder fühlt sich wie gelähmt. Auf Dauer können solche Belastungen physische und psychische Auswirkungen haben – für Führungskräfte und das Team.
Wichtig ist jedoch, zu erkennen: Dieses mulmige Gefühl angesichts des Unbekannten ist menschlich und normal.
Mindset ändern: Ungewissheit als Chance begreifen
Auch wenn Ungewissheit Stress auslösen kann, birgt sie gleichzeitig Potenzial für Veränderung und Wachstum. Entscheidend ist die Bewertung der Situation. Verändern Sie aktiv Ihre Bewertung der Situation, z.B. durch Reframing und Konzentration auf Ihren Einflussbereich. Fördern Sie zudem die Akzeptanz von Unsicherheit als Normalität und stärken Sie gezielt Ihre Ambiguitätstoleranz.
Konkrete Methoden: Umgang mit Ungewissheit im Führungsalltag
Zu den praktische Methoden gehören u.a. folgende, die Sie unmittelbar im Führungsalltag anwenden können, um konstruktiv und handlungsorientiert mit Ungewissheit umzugehen:
- Klare Prioritäten: Gerade, wenn vieles im Fluss ist, droht Überforderung. Definieren Sie daher stets neu: Was ist JETZT wichtig? Setzen Sie klare, ergebnisorientierte Prioritäten und kommunizieren Sie diese ans Team. Wenn z.B. Lieferketten wegen geopolitischer Krisen stocken, könnte kurzfristig die Priorität sein, alternative Bezugsquellen zu finden, statt planmäßig neue Produkte zu entwickeln. Indem alle wissen, worauf sie ihre Energie fokussieren sollen, vermeiden Sie Aktionismus ins Leere.
- Coaching-Gespräche: Nutzen Sie eine coachende Haltung im Umgang mit Ihren Mitarbeitenden. Stellen Sie in One-on-Ones offene Fragen wie: „Was brauchst du, um dich in dieser Situation sicherer zu fühlen?“ oder „Welche Ideen hast du, um mit dieser Unsicherheit umzugehen?“. Hören Sie aktiv zu. Oft entwickeln Mitarbeitende in solchen Gesprächen eigene Lösungsansätze – was ihre Zuversicht erhöht und unmittelbar zu besseren Ergebnissen führen kann. Zudem signalisiert diese Art von Gespräch: Dein Empfinden und dein Fachwissen sind wichtig und wir finden gemeinsam einen Weg. Das wirkt vertrauensbildend und stärkt die Selbstwirksamkeit im Team.
- Netzwerken und Austausch: Suchen Sie aktiv den Austausch mit anderen Führungskräften – intern wie extern. In unsicheren Zeiten fühlen Sie sich vielleicht allein mit der Last auf den Schultern. Doch ein Blick über den Tellerrand zeigt: Auch andere stehen vor ähnlichen Problemen. Peer-Coaching, Mastermind-Gruppen oder einfach lockere Runden zum Erfahrungsaustausch können neue Perspektiven eröffnen und Ihnen praxisnahe Tipps liefern.
- Resilienz-Training: Resilienz bezeichnet die seelische Widerstandskraft. Modelle nennen Optimismus, Akzeptanz und Lösungsorientierung als Kernfaktoren – genau die Haltungen, die in unsicheren Zeiten helfen. Diese „Resilienz-Muskeln“ kann man trainieren. Zum Beispiel: sich täglich drei positive Erlebnisse bewusst machen (fördert Optimismus), aus Fehlern lernen statt hadern (fördert Akzeptanz) und bei Problemen aktiv nach Lösungen suchen (fördert Lösungsorientierung).
- Entspannung und Fokus auf das Jetzt: In Phasen der Ungewissheit kreisen Gedanken oft um das, was alles passieren könnte. Das erzeugt inneren Stress und raubt Klarheit. Deshalb ist es hilfreich, bewusst im Hier und Jetzt anzukommen. Kurze Atemübungen, Achtsamkeitsübungen oder kleine Pausen im Tagesverlauf helfen, den Fokus zu sammeln und das Gedankenkarussell zu stoppen. Wer im Moment präsent bleibt, kann klarer denken, bessere Entscheidungen treffen und dem Team ein Gefühl von Ruhe und Stabilität vermitteln. Selbst wenige Minuten bewusster Stille können im Führungsalltag einen spürbaren Unterschied machen.
Dies sind einige der Methoden, die sich sofort ausprobieren lassen. Wichtig ist, nicht in Passivität zu verfallen. Unsicherheit entbindet nicht von Führung – im Gegenteil, jetzt ist gute Führung wichtiger denn je.
Führung in ungewissen Zeiten erfordert mehr als nur Durchhaltevermögen; sie verlangt bewusste Kompetenz. Wie dargestellt, ermöglicht die Kombination aus einem anpassungsfähigen Mindset, Empathie und konkreten Werkzeugen – von klarer Kommunikation über Priorisierung bis hin zur Selbstfürsorge – auch unter Druck erfolgreich zu führen. Indem Sie lernen, Unsicherheit nicht nur auszuhalten, sondern aktiv zu managen, stärken Sie nicht nur Ihre eigene Wirksamkeit, sondern geben Ihrem Team die Zuversicht und Orientierung, die es jetzt braucht.